Vom tabuisierten Umgang mit Behinderten

Freitag, 24.1.

Anflug aus Zürich und Fahrt nach Dohuk. Ankunft: 2 Uhr nachts


Die Kinder spielen, tanzen und versuchen sich in Konzentrationsübungen.

Die Frauen des Trauma-Projektes sprechen mit unserer Psychologin über den Frauenzyklus. Die Frauen hatten den Wunsch dazu. Alle Themen rund Sexualität in wecken in Ihnen regelmässig Trauma-Ängste.

Die Frauen, welche Andreas Goerlich anflehen, ihnen einen weiteren Kurs zu ihrer seelischen Gesundung zu ermöglichen.

Das Trauma Follow up Seminar geht seinem Ende zu. Ich bin in Sharya zugegen und sehe interessante Neuerungen. Es laufen in drei Zelten parallel drei Gruppen:

Erstens die Jüngsten, welche Programm haben, damit die Mutter an ihren „Traumaresten“ arbeiten können. Wunderbar und chaotisch…

Zweitens die Jugendlichen, die viel mitgemacht haben an Gewalt und Vergewaltigung, die aber oft schon Geschwister hatten, die im Seminar waren und nun fast „resistent“ sind wie die Bakterien, die gegen das immer gleiche Antibiotikum resistent werden.

Darum setzen für sie die Psycholog/inn/en neu auf den „normalen Unterricht“, an dem spätestens nach zwei Wochen deutlich wird, WER Auffälligkeiten im Verhalten oder in der Reaktion hat und somit mehr Aufmerksamkeit und Hilfe benötigt…

 

Drittens gibt es die Gruppe der erwachsenen Frauen. Sie  laden mich ein, „Teil zu sein“ ihrer Gruppe, in der sie offen über Bedrohungen und Ausblicke sprechen und mich anflehen, ihnen einen weiteren Kurs zu ihrer seelischen Gesundung über khaima zu ermöglichen.

 

Am Abend bin ich zu Gast im Domiz Camp, um mit Good hands group organization ein Treffen zu haben für unser neues gemeinsames Projekt im Bardarash Camp (für neu angekommene, syrische Flüchtlinge). Wir werden mit Kindern und Erwachsenen hoffnungsvolle, zukunftsausgerichtete Kurse, Sport und Diskussionen durchführen - dies in einem verpflichtenden Rahmen. Auch Tanzen und Singen wird dabei sein, um die Kinder aus ihrem „Nachtrauern“ in die Gegenwart zu holen.


Die neuen Nähmaschinen im neu eröffneten Nähatelier

Montag ist der Tag der Meetings. Am Montag mit Abuna Emanuel, Leiter von CAPNI. Die Situation der Christen ist nicht schlecht, doch wenn sie ins Ausland dürfen, brechen sie ihren Kontakt zu den Leuten hier ab. Denn die Christen hier erwarten enorme Hilfe und Unterstützung, die aufgenommenen Flühtlinge müssen aber die ersten Jahre strampeln, um selbst zu überleben. Daher blockieren sie den Kontakt, sie haben ein schlechtes Gewissen und kommen gegen die Erwartungen nicht an. Schade…

 

Das nächste Treffen ist mit VOP. Da werden wir am Mittwoch zwei Nähmaschinenateliers eröffnen und eine Bewilligung steht noch aus und keine Nähmaschinen sind gekauft… Wir gehen Nähmaschinen kaufen. Alle sind aus China, auch wenn draussen „BROTHER“ drauf steht. So kaufen wir nach viel Beratung die japanischen ZOJE, die aber auch in China produziert wurden…

 

Am Nachmittag treffe ich mich mit der Leiterin von LOTUS FLOWER, um die Verteilung am Donnerstag im Isian Camp vorzubereiten.

 

Abends treffe ich mich mit meinem Stellvertreter SHMS, um ihn über die Geschehnisse auf dem Laufenden zu halten.

 

Am Morgen steht ein Einkauf von Nähutensilien auf dem Programm. Danach geht es ins Qadya Camp. Die IS-Überlebenden, die Frauen, haben ein Café eröffnet, in dem sie Süssigkeiten, Kuchen und Überraschungen machen. In Veltheim haben Kinder für dieses Bäckerei-Projekt Geld gesammelt.


Im Jugendgefängnis in Dohuk - in der Buben-Abteilung sprechen wir über das LERNEN.

Sport gehört vor allem für Jugendliche und junge Männer zur willkommenen Möglichkeit, ihre Aggressionen zu kontrollieren - und sie messen sich im friedlichen Wettbewerb mit unserem Projektleiter!

Andreas Goerlich im Goal hält nicht nur dem Ball stand...

Zurück in Dohuk besuche ich mit den beiden Psychologinnen das Jugendgefängnis in Dohuk. In der Buben-Abteilung sprechen wir über das LERNEN, was es auch im Gefängnis bedeuten kann. Danach spielen wir gemeinsam im Gefängnis Fussball Stadion eine interessante Partie Fussball. Ein mancher hat seitdem mehr Respekt vor mir, weil ich als Abwehrspieler doch einige Bälle wegspitzeln konnte…

 

Der Abend gehört dem Ahmad Bonjaq human rights center mit Farman Bonjaq.

 

Am Morgen bereiten wir alles vor, um dann nach Coperto I und Coperto II zu fahren und zwei Nähmaschinen Ateliers zu eröffnen.

 

Es ist herzzerreissend, welche Geschichten wir hören. Wir haben je 15 jesidische Witwen ausgewählt, um ihnen mit den Nähmaschinen eine Berufszukunft zu eröffnen. Dennoch brauchen zwei Frauen eine „klare Ansage“, damit sie Prioritäten setzen und alles um das Projekt herum organisieren.

 

Am Morgen fahre ich mit Lotus flower nach Fayda ins Camp. Das women empowerment center wird hervorragend geführt von Gulbahar. Es laufen Aufklärungskurse und English-Kurse sowie Computerkurse, während wir da sind.

 

Danach geht es ins Esyan Camp, wo wir Leute besuchen, den Kindern in der Schule Kleider verteilen und schliesslich im Zentrum im eigenen Café speisen.

 

Abends feiern wir Minyars Geburtstag und schliesslich treffen wir den Hauptgeneral Hassan Nuri, um über die Peshmega Atbeit zu sprechen.

Hauptgeneral Hassan Nuri


Die Kinder freuen sich über die warmen Jacken, Pullover, Socken oder Pulswärmer.

Frühmorgens brechen wir auf ins Gawilan Camp, in dem im Augenblick die neuen syrischen Flüchtlinge ankommen (nach jedem türkischen Luftangriff in Nordsyrien kommen etwa 1000 – 2000 Flüchtlinge…).

 

Im Gawilan Camp helfe ich unseren Partnern Lotus Flower bei der Verteilung von Winterkleidern und Socken für Erwachsene. Wir kommen bei der Verteilung auch mit den Familien ins Gespräch, welche unter „abenteuerlichen“ Umständen mit einem behinderten Kind oder Partner vor den Bomben fliehen konnten.

Ich verteile Brillen und viele Pulswärmer, welche in der Schweiz gestrickt wurden. Ich entschied mich für die Familien mit Behinderten, da diese oft stundenlang liegen, die Kälte massiv spüren und froh sind um kreislauffördernde Pulswärmer.

Es sind herzzerreissende Geschichten und ich bin froh, bei der Rückfahrt Richtung Dohuk mit den anderen der Organisation das eine oder andere Bild einordnen oder ablegen zu können.

 

Der Abend gehört dem Schwimmen mit PNAGA Mitarbeitenden, die aufgrund der vielen traumatisierten Menschen selbst einmal eine Pause und ein wenig Abstand finden.


Kinder tanzen zum Abschluss des Trauma-Projektes - Mädchen und Jungs, die noch vor drei Monaten schüchtern und stumm waren...

Heute begann der Tag mit der Verabschiedung meiner CAPNI Familie. Ich vermisse sie jetzt schon. Überhaupt sind hier die Abschiede von allen Organisationen herzzerreissend, weil wir wirklich meistens sehr nahe und vertraut sind.

Am Nachmittag fand der Abschluss des Trauma 4 follow up Projektes statt. Kinder, die ich selbst noch vor gut drei Monaten schüchtern oder stumm sah, tanzen hier und singen und lachen und machen den Eltern, die ja ebenfalls traumatisiert sind, Mut, ihren „Rucksack“ auch zu leeren.  Das ist sehr berührend und aufbauend.

Einmal mehr sehe ich das Pnaga Team in fröhlicher, professioneller und hingebungsvoller Manier – CHAPEAU!!!


Pfarrer Gewargis (rechst neben Andreas Goerlich), ganz rechts: Greg Calison

Der Fürbittegottesdienst zu Gunsten des kranken Pfarrers.

Diese Kinder können hin und wieder jubeln - wären sie körperlich oder gar geistig behindert, sähe das ganz anders aus: khaima will das Projekt von Lotus Flower zum noch tabuisierten Umgang mit behinderten Kindern unterstützen. Helfen Sie bitte mit!. Danke.

Gleich danach fahre ich mit dem amerikanischen Prsbyterian Pfarrer Greg Calison in die Peter und Paul Kirche nach Dohuk. Unser lieber Freund, Pfarrer Gewargis, dessen Bäckereiprojekt in Bakhitme wir unterstützen und mit dem wir Weihnachts- und Osterfeiern machen, hat einen Tumor im Kopf und muss dringend nach Europa, um operiert zu werden.

Seine Gemeinde macht einen Fürbittgottesdienst, den wir gerne besuchen und unterstützen. Qasha Gewargis ist total gerührt.

Am Abend erreicht uns zum zweiten Mal die Thematik „syrische Flüchtlinge mit behinderten Kindern“: Bewar, unser Psychologe, hat Kontakt mit einer Familie, deren Kind (10 Jahre) nicht in die Schule darf, weil der Junge nicht laufen kann.  Darf ja wohl nicht wahr sein. Weil er nicht in die Schule darf, möchte er seine kleine Schwester umbringen, die in die Schule im Camp geht. Und seiner Mutter wirft er vor, sie wolle ihn lieber verkaufen…

Bewar wird Abklärungen machen, was möglich ist. Wir hoffen auf ein happy end…

 

Gulbahar von Lotus Flower in Fayda Camp wird im März ein Projekt starten mit Familien, die zu ihren behinderten Kindern stehen (das ist hier fast ein Tabu). Das soll andere ermutigen. Also, fangen wir wieder an, Geld zu sammeln…

 

Um 23.30 Uhr starte ich nach Erbil, um wieder nach Zürich zu fliegen.